Friedrich Merz war während der Jahrtausendwende das Gesicht des konservativen Lagers. Sein come back könnte fulminanter nicht sein. Aber ist Merz noch zeitgemäß?
Seit fast 10 Jahren wird von Merkeldämmerung gesprochen, aber nach miserablen Umfragewerten und vielen verlorenen Landtagswahlen, scheint ihre innenpolitische Schwäche auch auf ihre Stellung nach außen abzufärben. Damit verliert sie ihren größten Trumpf, der noch vor 2 Jahren, bei der Wahl von Donald Trump als Rettungsanker des westlichen Multilateralismus bezeichnet wurde. Fest steht, dies wird ihre letzte Legislaturperiode sein, ob bis zum Ende oder nicht. Nun kämpft sie um ihr politisches Erbe und gegen die sich formierende „konservative Revolution“, die am Anfang des Jahres von Alexander Dobrindt ausgerufen wurde.
Man kann nur erahnen, was in ihrem Kopf in den letzten Wochen vor sich ging. Merkel könnte aber den Eindruck gewinnen, in der falschen Partei zu sein, oder zu mindest in zwei verschiedenen. Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die das C der Union in den Vordergrund rücken sollte, wird in den Geschichtsbüchern als Startpunkt ihres Karierendes dargestellt werden. Der AfD ist es gelungen, die sorgfältig eingerichtete Brandmauer zwischen Konservativ und Rechts zu durchbrechen. Die CSU hat sich längst nach rechts verabschiedet und zieht Teile der CDU mit. Merkel schien die letzte relevante Persönlichkeit, die den Kurs der Mitte nicht verlassen wollte. Nun droht der Union die Spaltung, wie es die SPD vor fast 15 Jahren bereits erleben durfte. Einzelne, gemäßigtere Landesverbände, die heute oftmals mit den Grünen koalieren, wollen weiterhin lagerübergreifend anschlussfähig sein können, während immer mehr Stimmen den Rechtsschwenk, natürlich semantisch schön verpackt wollen. Der Neokonservatismus, der keine Scheu vor Flirts mit dem rechten Rand hat, war in vielen Ländern erfolgreich zuletzt in Österreich. Viele Unionsmitglieder versprechen sich somit die Rückkehr zu alter Größe. An die Spitze dieser Bewegung stellten sich Politiker wie Markus Söder und Michael Kretschmer sowie Jens Spahn auf Bundesebene, der sich erwartungsgemäß für den Parteivorsitz aufstellen ließ.
Wer hätte gedacht, dass mit Friedrich Merz ein starker Konkurrent aus der Asche aufsteigen würde.
Der neue alte Merz symbolisiert wie kein Zweiter die andere Union und eignet sich zugleich perfekt als Projektionsfläche für alle Anti-Merkelianer, die auch in ihrer eigenen Partei Oberwasser zu haben scheinen. Das Medieninteresse jedenfalls ist enorm. Heute sammeln sich jene hinter ihm, die sich das alte Deutschland zurück wünschen, eine Union der reichen, weißen Männer, eine Union der Atomlobby und eine Union, die in das Lagerdenken der 80er Jahre zurück fällt. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Union unter Merz zu bedingungsloser Wirtschaftsunterwerfung, ewiger Verbundenheit zur FDP und testosterongesteuerter, leicht autoritärer Art finden, wie die Partei im letzten Jahrhundert.
Schwarz-Grün wäre wohl somit Geschichte und die CDU könnte keinen Kanzler mehr stellen, wenn sie nicht wie aus heiterem Himmel, 15%+ verzeichnen könnte. Da dieses Szenario äußerst unwahrscheinlich ist, würde eine Diskussion über die Beteiligung der AfD resultieren, die aufgrund der einerseits rechteren Union und andererseits dank des unbedingten Machtwillens dieser Kanzlerpartei, klar für eine Seite entschieden werden würde. Das wäre das Ende einer staatstragenden, konservativen aber selten stagnierenden Partei, die dieses Land wie keine zweite prägen durfte.
Die Union muss sich klar machen, dass sie nur dank Merkels „Kurs der Mitte“ noch ein paar Jahre länger als die SPD Volkspartei sein durfte und, dass eine Union, die die Wehrpflicht fordert, sich für Atomkraft ausspricht oder die Ehe für alle als Bedrohung eines traditionellen Familienbildes zu verkaufen versucht, endgültig von den 30% Wahlergebnissen Abschied nehmen müsste und zur Verkörperung rückschrittlicher Politikmutiert. So kann man die AfD sicherlich schwächen und sich selbst gleich dazu.