Ein Jahr Capitol-Sturm; eine politische & persönliche Zäsur

Das Capitolsgebäude in Washington DC bei Sonnenaufgang
Das Capitolsgebäude in Washington DC bei Sonnenaufgang

Vor einem Jahr passierte das Undenkbare im Parlamentsgebäude, dem Capitol der USA. Das Parlament, Parlamentarier*innen und Sicherheitspersonal wurden von einer aufgestachelten Horde Trumpisten und Antidemokraten bedroht. Noch immer, wenn ich daran zurückdenke wirkt alles wie ein falscher Film. Damals hatte ich aufgrund der Nachwahlen in Georgia für den Senat, auf CNN geschalten. Dann prasselten die ersten Bilder durchbrochener Polizeiabsperrungen und gebrochener Fensterscheiben auf mich ein.

Gleich vom ersten Moment an, dachte ich nicht an die Theorie, einer aus dem Ruder gelaufenen, aber sonst normalen und demokratischen Kundgebung. Ich dachte nie daran, dass diese Menschen, die ich randalierend und schlagend sah, eine kleine Minderheit innerhalb der Demo seien, die sich die Situation zunutze machten, um Chaos zu stiften. Von Anfang an hatte ich nur ein Gefühl, Angst… ich dachte sofort, dass das ein Putschversuch ist. Nicht weil ich die Zusammenhänge kannte, die erst später zutage getreten sind, sondern weil es einfach so schmerzhaft war, ein Wahrzeichen der liberalen parlamentarischen Demokratie so zu sehen. Ich hätte mich auch irren können, ich saß Stunden lang vor dem Fernseher und hoffte stets, ich würde mich irren. Leider tat ich es nicht.

Es waren bange Stunden an jenem 06.01.2021. bis tief in die mitteleuropäische Nacht verfolgte ich die Entwicklung. Immer mehr Details wurden publik, immer genauer wurde das Bild von dem, was sich innerhalb des Capitols zugetragen haben muss. Abgeordnete, die per Telefon aus ihren verbarrikadierten Büros live zugeschalten wurden und berichteten, Kommentator*innen, die mehr oder weniger ebenso ratlos wie ich, versuchten die Ereignisse einzuordnen. Es war ein Schock, den ich nie vergessen werde.

Dass Trump diese Menschen aufgestachelt hat, sich aber nicht die Hände selbst schmutzig machen wollte ist ebenso klar, wie die erschreckendste Erkenntnis jenes Tages, die US-Demokratie, lange als Bastion der Freiheit gesehen, ist dermaßen fragil, dass sie kaum einem dilettantisch durchgeführten Putschversuch, orchestriert von einem kleinen feigen Egomanen, Standhalten kann. Das ist keine gute Aussicht. Es muss nachhaltig an der Stärkung der Demokratie gearbeitet werden. Nicht nur in den USA, sondern auch bei uns.

Denn nur wenige Monate vor dem Putschversuch am Capitol, hatten Rechtsextreme die Treppen des Reichstagsgebäudes, symbolträchtig erstürmt. Nur wenige Wochen später, wurden einige radikale Coronaleugner sogar in den Bundestag eingeladen, um in den Gängen des Parlaments, nach demokratischen Abgeordneten zu jagen. Was soll das?!

Im Nachhinein muss man, um diese Ereignisse aufzuarbeiten feststellen, dass diese brutalen Angriffe auf die Parlamentsgebäude, nicht Ausdruck einer beginnenden Radikalisierung sind, sondern die Fortsetzung einer Entwicklung, die bereits dazu geführt hatte, dass Antidemokrat*innen innerhalb dieser Parlamente Platz nehmen konnten und täglich auf ihre Weise versuchen, das Parlament von innen zu zerstören. Die beste Prävention gegen weitere Angriffe auf das Capitol oder den Bundestag, ist die rechtsextremen Kräfte aus den Parlamenten zu entfernen. Das muss in den kommenden Wahlen in Deutschland gelingen. Ob das in den USA auch möglich ist, wo die Republikaner fast komplett zu einer trumpistischen Sekte verkommen sind, ist äußerst zweifelhaft.

Die Hoffnung und den Mut, die Demokratie und das wofür sie steht zu verteidigen, dürfen wir aber niemals verlieren. Sonst öffnen wir den autoritären Putschisten Tür und Tor zur Herzkammer unserer Demokratie.    

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