Demokratiekrise durch Vertrauensverlust?!

Demokratie ist zu aller erst ein Versprechen. Ein Versprechen, dass es in einer Gesellschaft gelingt, gewaltfrei an die Macht zu kommen und auch diese zu verlassen. Es klingt banal aber genau das muss Demokratie zu aller erst leisten. Genau das ist der Grund, weshalb jeder Autokrat jegliche Oppositionelle unterdrückt, vertreibt oder ermordet, weil seine Herrschaft auf seine oder seiner Vorfahren Gewaltausübung beruht und seine Angst, der Umsturz würde ihn als nächsten treffen, unermesslich groß sein muss. Oft hat man dieses vollkommene Caos mit dynastischen Ordnungen zu beheben versucht. Vergeblich, denn auch Familienmitglieder töteten und betrogen sich gegenseitig um die Macht. Die Verfestigung des Tribalismus steinzeitlicher Urordnungen mit einem militaristischen Duktus, hat dieser Struktur zudem noch Vorschub geleistet.

Die Demokratie als Projekt des Friedens und der Freiheit, brach mit dieser Gewalttradition und eröffnete uns eine neue Welt. Das Prinzip war einfach: keine Gruppe, keine Person sollte so viel Macht anhäufen können, um diese ohne Zustimmung der anderen gegen sie einsetzen zu können, Keine Gegenteilige Ansicht sollte dermaßen unterdrückt oder ignoriert werden, dass sich deren Anhänger vom System abwenden und lossagen würden. Also wurde eine komplexe Struktur des diskursiven Austausches, des friedlichen Dialogs eingeführt. Später gründeten sich Parteien, etablierten sich parlamentarisch-repräsentative Legitimationssysteme und bildete sich eine weitläufige Struktur von Interessensgruppen und Intermediärinstanzen zwischen der Bevölkerung und der Macht.

Mit der modernen Vertragstheorie wurde ein Modell geschaffen, das die Legitimation der Individuen an ein liberaldemokratisches Repräsentationssystem begründet. Dabei wirkt ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Vertretern und Vertretenen. Eine Verfassungsdemokratie wird zwar von den konstitutionell festgeschriebenen Werten und Regeln geschaffen, sie lebt aber von der allseitigen Einhaltung der Spielregeln. Diese Einhaltung zu erwarten, auch von seinen politischen Kontrahenten, setzt ein enormes Vertrauen voraus, welches den institutionellen Fortbestand der demokratischen Ordnung sichert.

Der (unaufhaltsame) Vertrauensverlust?

Exakt dieses Vertrauen scheint gewaltig zu erodieren und somit eine mögliche Erklärung für die oft konstatierte „Demokratiekrise“ zu bieten.

Es ist mittlerweile keine Seltenheit mehr, in einem Wahlkampf von Seiten eines oder mehrerer Kandidaten zu hören, dass sie das Wahlergebnis nur unter bestimmten Voraussetzungen hinnehmen würden, also meist wenn sie zum Wahlsieger gekürt wurden. Das missachtet die grundlegendsten aller demokratischen Grundsätze, wonach eine Machtübergabe friedlich abzulaufen hat. Die Stimmenauszählungen werden oft der Manipulationsanfälligkeit bezichtigt und damit die gesamte Legitimation einer Wahl als höchsten Akt einer demokratischen Gesellschaft entzogen. So hat es Donald Trump 2016 und 2020 gemacht; Bolsonaro 2018 und Duterte in den Philippinen, nur um die neuesten zu nennen.

 Was solche Ankündigungen mit einer Gesellschaft machen ist unklar. Feststeht aber, dass wenn der Eindruck entsteht, die Spielregeln können gebrochen werden, ist das Spiel unbrauchbar. Das Versprechen von früher, man akzeptiert das Wahlergebnis, man vertraut der unabhängigen Wahlauswertung und verhindert somit einen Bürgerkrieg um die Macht, ist somit in letzter Konsequenz Geschichte. Wie kann man noch gewaltbereite, fanatische Anhänger*innen eines Kandidaten aufhalten, wenn sie davon überzeugt sind, die Wahlniederlage sei aufgrund einer Manipulation des Systems oder Verschwörung der Gegner*innen geschehen? Genau, gar nicht.

 Das Vertrauen in die friedenstiftende Wirkung demokratischer Instanzen und Prozesse ist schließlich untergraben. Wenn das geschieht, fällt die Menschheit um Jahrhunderte zurück und wir in die Hände eines Despoten. Bürger werden zu Untertanen, Grundrechte zu Privilegien, Frieden zur Illusion und Demokratie zur Utopie.

Soweit darf es, soweit wird es niemals kommen!

Eine Antwort

  1. Angesichts des Sturms auf das US-Capitol d.h. den Putschversuch durch den Trumpismus, liest sich der Artikel wie eine böse Vorahnung

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